(Etwas gekürzte Fassung des Kapitels 6.3.2 aus "Systematisches Erfinden)
Die im Abschnitt 6.3.1 behandelte Arbeitsweise geht von einer jeweils konkreten erfinderischen Aufgabe aus, deren Lösung den Einsatz eines ganz bestimmten Effekts erfordert, der zu suchen, zu finden, und mit der Aufgabe angemessenen technischen Mitteln umzusetzen ist.
Die entgegengesetzte, für den weit blickenden Erfinder mindestens ebenso wichtige Arbeitsrichtung betrifft hingegen die konsequente Mehrfachnutzung eines bestimmten Effekts für sehr verschiedenartige Aufgaben. Der Erfinder stellt sich dabei folgende Fragen: Wozu kann ich diesen Effekt noch nutzen? Für welche Fälle, die ich im Augenblick nicht bearbeite, oder die vordergründig gar nicht zu meinem Aufgabengebiet bzw. zur gerade bearbeiteten Aufgabenstellung gehören, wäre dieser Effekt voraussichtlich noch einsetzbar? Wie weit kann ich das sich eröffnende Denkfeld mit meinen - zunächst begrenzten - Kenntnissen praktisch ausdehnen?
Dabei ist kaum von Bedeutung, ob es sich um einen bekannten oder um einen selbst gefundenen Effekt handelt. Bekannte Effekte, in einem bisher solchermaßen noch nicht bearbeiteten technischen Umfeld genutzt, sind nicht selten ebenso erfolgsträchtig wie selbst gefundene Effekte.
Bei den selbst gefundenen Effekten handelt es sich nicht immer um echte Mini-Entdeckungen, sondern manchmal auch um Phänomene, die an sich durchaus bekannt sind. Solche Effekte haben aber für den Erfinder trotzdem einen - gewissermaßen mentalen - Neuheitswert, eben weil sie ihm selbst zuvor nicht bekannt waren. Vor allem beim Experimentieren tritt ziemlich häufig der Fall ein, dass einem selbst etwas erstmalig auffällt. Das weitere Vorgehen des routinierten Erfinders hängt nun wesentlich von seinem Typ, seiner Mentalität und seinen Arbeitsgewohnheiten ab. Manche nutzen, obwohl sie mindestens ahnen, dass die Sache wohl kaum neu sein kann, bewusst zunächst einmal ihre Unbefangenheit und denken sich vor Beginn ihrer Literaturrecherche eine Reihe sehr divergenter Anwendungsvorschläge aus ("romantischer" Typ nach Ostwald). Andere fangen mit einer umfangreichen Literaturrecherche an und ordnen den beobachteten Fall sorgfältig in den vorhandenen Wissensfundus ein; erst dann beginnen sie - vorsichtig, langsam, aber zugleich zäh und konsequent - mit individuellen Experimenten und ziehen eigene Schlüsse ("klassischer" Typ nach Ostwald).
Das folgende Beispiel einer nicht durch Literaturstudium, sondern durch eine zufällige Beobachtung ausgelösten Ideenkette soll zeigen, wie der Erfinder zweckmäßig vorgehen kann. Dabei sind die einzelnen Schritte so wiedergegeben, wie sie von mir tatsächlich gegangen wurden. Der Umstand, dass es sich beim hier genutzten physikalischen "Kernphänomen" eigentlich um eine ganz einfache Sache handelt, erscheint mir in didaktischer Hinsicht eher vorteilhaft.
Eine Trübe sollte filtriert werden. Die verfügbaren Wasserstrahlpumpen waren blockiert. Da ohnehin noch andere Experimente liefen, wurde die Labornutsche (Saugflasche, durchbohrter Gummistopfen, Porzellan-Nutsche) nebenbei unter Normaldruck betrieben. Das Filtrat tropfte durch das Filtertuch und füllte allmählich die Saugflasche. Um den Vorgang nicht unterbrechen zu müssen, wurde ein Schlauch als Filtratüberlauf auf den Evakuierungsstutzen gesteckt. Die Saugflasche stand auf dem Labortisch, der Schlauch führte in einen auf dem Fußboden stehenden Eimer. Beim Nachgießen weiterer Trübe war zu beobachten, dass plötzlich die Filtrationsgeschwindigkeit stark anstieg. Die an sich nahe liegende Vermutung, dass dafür die Saugwirkung des durch den Schlauch ablaufenden Filtrats verantwortlich sein müsste, wurde durch folgende Beobachtungen erhärtet:
Zweifellos handelt es sich bei dem Vorgang um eine ganz einfache Sache. Sicherlich ist die geschilderte oder eine ähnliche Vorrichtung bereits von anderen Experimentatoren verwendet worden. Im Übrigen wird man beispielsweise an den "Jenaer Analysentrichter für schnelle Filtration" erinnert. Wir haben es demnach mit dem bestens bekannten, sehr einfachen physikalischen Effekt "Saugende Wirkung einer hängenden bzw. langsam strömenden Flüssigkeitssäule" und gleichzeitig mit Altschullers Prinzip Nr. 29 "Nutzung pneumatischer und hydraulischer Effekte" (und natürlich mit dem "Von Selbst"- Prinzip) zu tun: die Flüssigkeit, welche schneller als unter Normaldruck filtriert werden soll, erzeugt die dafür notwendige Triebkraft von selbst, ohne zusätzliche Vakuumpumpe. Weil die im Sinne der Wiederverwendbarkeit der Idee zu wählende Denkrichtung damit bereits klar bestimmt ist, wollen wir zunächst einmal überlegen, wo der Effekt bereits technisch genutzt wird.
Nach Durchsicht der sofort verfügbaren Erfahrungen und Kenntnisse zeigt sich, dass es bereits einzelne industrielle Anwendungsbeispiele gibt (z.B. die automatische Kolonnensumpfentwässerung, den Einspritzkondensator). Zum Assoziationsmaterial dürfte neben dem Jenaer Analysentrichter für schnelle Filtration auch der Kaffee-Filtereinsatz (bitte sehen sie ihn sich genau an) und, im weiteren Sinne, auch das Torricelli-Barometer gehören. Was ganz offensichtlich fehlt, ist aber die umfassende und systematische Nutzung des Effekts.
Die nächste Stufe war zunächst nicht eine umfangreiche Recherche, sondern die Übertragung der beschriebenen Laboratoriumsvorrichtung auf eine im technischen Maßstab funktionierende Nutsche, die mit Hilfe des ablaufenden Filtrats ihr Arbeitsvakuum selbst erzeugt.
Wir entwickelten einen solchen Apparat für den Technikumsmaßstab.
Die Vorrichtung erzeugt, ausreichenden Niveau-Unterschied vorausgesetzt, ihr Arbeitsvakuum selbst. Vakuumpumpen sind überflüssig. Je nach Widerstand des Filterkuchens werden Unterdruckwerte von etwa 670 bis 970 hPa (500 bis 730 mm Hg), entsprechend einem absoluten Gasdruck von etwa 260 bis 30 mm Hg im System, erreicht. Die Vorrichtung arbeitet bis zum Versetzen der Filterfläche vollautomatisch (typische "Von Selbst"-Lösung). Bei erheblichem Feststoffgehalt der Trübe stellen sich die dann für eine passable Filtrationsgeschwindigkeit benötigten hohen Unterdruckwerte automatisch ein; bei geringen Feststoffgehalten werden entsprechend höhere Filtrations-geschwindigkeiten trotz deutlich geringerer Arbeitsvakua erreicht (Prinzip "Anpassung"). Klare Filtrate sind, besonders bei Zugabe von etwas Filterhilfsmittel zur Trübe, immer gewährleistet (Zobel et al., 1979/1980).
Die Vorrichtung wurde über längere Zeit im 2-m3-Maßstab erfolgreich betrieben. Filtriert wurden z. B. Mutterlaugen der Trinatriumphosphatproduktion sowie aufkonzentrierte Hypophosphitlösungen. Bedienungs- und Wartungsaufwand sind gering. Die Vorrichtung braucht nicht beaufsichtigt zu werden, da das erneute Anfahren, falls die Nutsche versehentlich einmal leer gelaufen ist, nur wenige Minuten beansprucht.
Interessanterweise finden sich nicht nur bei Gesprächen mit Fachkollegen, sondern auch in der Literatur erhebliche Vorurteile gegen die Realisierbarkeit der an sich nahe liegenden Idee. So schlugen entsprechende Versuche im Wasserwerk der Stadt Harrisburg, ausgeführt an einem Trinkwasserschnellfilter, ganz offensichtlich fehl (Ziegler 1919).
Trotzdem hatten wir, und das zeigte sich erst nach Erteilung des Patentes, nicht sorgfältig genug recherchiert. Tatsächlich erwies sich die Lösung schließlich als durchaus nicht neu. In der Diskussion zu einem erfindungsmethodischen Vortrag wies mich Heidrich (1986) darauf hin, dass annähernd vergleichbare Apparate ("Läuterbottiche") in Brauereien älterer Bauart durchaus üblich waren. Der Ablauf erfolgte zwar nicht über ein ausschließlich senkrechtes Rohr, sondern über einen so genannten Schwanenhals; dieses Detail ist aber für die Tatsache, dass der von uns angemeldete Apparat im Prinzip eben nicht neu ist, durchaus sekundär. Das Beispiel ist auch in dieser Hinsicht instruktiv. Sorgfältiges Recherchieren in der älteren Literatur wäre zweifellos erforderlich gewesen; dennoch genügt eine reine Patentrecherche in derartigen Fällen offensichtlich nicht. Beim besprochenen Beispiel lag immerhin der Verdacht nahe, dass es sich möglicherweise um alte Technik handeln könnte. Typisches Einsatzfeld für alte (Filtrations-)Technik ist aber z. B. das frühere Brauereiwesen, wie an sich auch ohne nähere Fachkenntnis vorstellbar: seit Jahrhunderten wird gebraut, und trübes Bier wollte schon damals niemand trinken.
Ferner zeigt das Beispiel, dass ein erteiltes Patent durchaus kein zwingender Beweis für den Neuheitswert einer Sache ist. Was die Erfinder übersehen hatten, fiel auch dem Prüfer nicht auf - ein Fall, der in der Praxis nicht eben selten vorkommt.
Wir kennen nun bereits drei Anwendungsfälle (unter autogenem Vakuum arbeitende Nutsche bzw. Läuterbottich, Einspritzkondensator, automatische Kolonnensumpfentwässerung). Überlegen wir, wo die hängende bzw. langsam herab strömende Flüssigkeitssäule außerdem noch sinnvoll eingesetzt werden könnte und sehen uns zu diesem Zweck die Technikums-Fiternutsche noch einmal etwas näher an.
Zunächst tröpfelt durch den mit einem Filtertuch belegten Siebboden das Filtrat unter Normaldruck in den mit Stützrippen versehenen Filtratraum 5. Die Luft entweicht über die Entlüftungsstutzen 3. Ist der Filtratraum gefüllt, so werden die Entlüftungen geschlossen und das Filtratablaufventil 7 geöffnet. Das Filtrat setzt, während es in das Reservoir fließt, den Filtratraum unter Vakuum. Öffnet man nun vorsichtig die Entlüftung 3, so vermindert sich erwartungsgemäß das Vakuum, da nunmehr Luft einströmt. Beim normalen Betrieb der Nutsche bleibt die Entlüftung zwar geschlossen, das Gedankenexperiment soll aber nur zeigen, dass das Einströmen ("Ansaugen") von Luft der Ansatzpunkt zum Weiterdenken ist.
Der nächste Schritt ist gedanklich einfach. An Stelle von Filtrat soll nun Destillat (z.B. Wasser) verwendet werden, und die Aufgabe soll nicht mehr in der Lösung eines Filtrationsproblems, sondern in der Anwendung des gleichen Prinzips für Zwecke der Eindampfung bzw. der Destillation bestehen. Wir kommen auf diesem Wege fast zwanglos zu einer Destillationsvorrichtung, die prinzipiell analog der Nutsche arbeitet, obgleich sie ihr äußerlich durchaus nicht ähnlich sieht (Vakuumdestillation)
Das Wasser strömt aus einem oberen Reservoir 7 durch einen Kondensator 6 in das so genannte y-Passstück 8, dessen Form - allerdings nur rein äußerlich - Ähnlichkeiten zur Wasserstrahlpumpe aufweist. Während aber bei der Wasserstrahlpumpe mit einer Düse (Stauabschnitt/Diffusorabschnitt) gearbeitet wird, fließt hier das Wasser langsam - ohne intermediäre Geschwindigkeitsveränderung - herab. Das "y-Passstück" enthält keine Einbauten. Funktionell ist es, und das ist wichtig, somit etwas völlig anderes als eine Wasserstrahlpumpe. Der Wasserverbrauch, verglichen mit einer Wasserstrahlpumpe, ist überdies sehr gering. Auch arbeitet die Vorrichtung, ganz im Gegensatz zur Wasserstrahlpumpe, absolut rückschlagsicher (Zobel u. Jochen, Pat. 1982/1984).
Das aus 1 ständig nachverdampfende Destillat gelangt nach erfolgter Kondensation zusammen mit dem aus dem oberen Reservoir stammenden Treibmittel (Wasser) in das y-Passstück und von dort aus in das untere Reservoir. Dabei erfüllt das Wasser aus dem Reservoir 7 im Kondensator 6 zunächst seine Funktion als Kühlmittel und wirkt sodann im y-Passtück 8 als Vakuum erzeugendes Mittel (Prinzip "Mehrzwecknutzung").
Nach Erteilung unseres Schutzrechtes (Zobel u. Jochen, Pat. 1982/1984) fanden wir das Referat einer Offenlegungsschrift, die sichtlich auf ganz ähnlichen Gedankengängen beruht. Die höchst einfache Verfahrensweise lässt sich auch ohne Abbildung erläutern. Die Vorrichtung besteht aus einem umgestülpten U-Rohr mit unterschiedlich langen Schenkeln. Beide Rohrenden tauchen in mit Flüssigkeit gefüllte Gefäße ein. Die einzudampfende bzw. zu verdampfende Lösung sei links, das Kondensatgefäß rechts angeordnet. Die linke (kürzere) Flüssigkeitssäule siedet; sie wird von der rechten (kälteren, schwereren) am Sieden erhalten. Die rechte Wassersäule entsteht durch Kondensation aus dem Dampf, der sich beim Sieden der linken Wassersäule bildet. Dass (und warum) mit ungleich langen Rohrschenkeln zu Gunsten der Kondensat-Seite gearbeitet werden muss, ist dem aufmerksamen Leser gewiss klar. Der Anspruch lautet:
"Destillationsanlage, dadurch gekennzeichnet, dass die kondensierende Wassersäule kälter ist als die siedende Wassersäule, und ihr Übergewicht zur Förderung genutzt wird, ohne daß sie dabei zu sieden beginnt, wie die erste Wassersäule, die zu destillieren ist."
(Nehring, Pat. 1985/1986).Die bisher behandelten Anwendungsfälle ergeben sich einigermaßen zwanglos aus dem ihnen allen zu Grunde liegenden Effekt. Man könnte nun meinen, damit sei das Prinzip erschöpft. Ein weiteres eigenes Beispiel soll zeigen, dass dies ein Irrtum ist ("Von Selbst"-Teilentgasung einer Flüssigkeit).
Betrachten wir die Abbildung (Zobel et al., Pat. 1984/1985). Dargestellt ist die automatische Vakuumentgasung einer Flüssigkeit, wobei das Arbeitsvakuum wiederum von der Flüssigkeit selbst erzeugt wird. In R 1 befindet sich die zu entgasende Flüssigkeit. Der Entgasungsvorgang findet in E statt, wobei mit Hilfe der Ventile 1 und 2 Zu- und Abfluss unter Berücksichtigung des erreichten Arbeitsvakuums sowie der Viskosität des Mediums reguliert werden können. Der Entgasungsvorgang wird durch scharfkantige, poröse Füllkörper in E unterstützt, die nach dem Prinzip der Siedeperlen arbeiten. Handelt es sich um ein mit einfachen Mitteln absorbierbares Gas, so wird der abgesaugte Gasstrom zunächst durch die Absorptionsflüssigkeit in A geleitet, ehe er in das y-Passstück eintritt. Aber auch für den Fall, dass der direkte Weg gewählt wird (bei geschlossenen Ventilen 4 und 5 und geöffnetem Ventil 3), beobachten wir eine partielle Selbst-Entgasung der im Reservoir R 2 aufgefangenen Flüssigkeit. Der Sauerstoffgehalt von Leitungswasser kann so immerhin auf 65% des ursprünglichen Gehaltes abgesenkt werden. Dieses Ergebnis überrascht zunächst, denn die Luft, welche entfernt werden soll, wird ja schließlich in Form von Blasen vom entgasten Medium mit nach unten transportiert. Die Sache wird jedoch klar, wenn man den Verteilungsgrad der Luft in R 1 mit dem Verteilungsgrad der Luft unterhalb des y-Passstückes vergleicht. Zunächst liegt die Luft gelöst vor, vom y-Passstück an wird sie jedoch in Form vergleichsweise großer Blasen nach unten transportiert. Kontaktfläche und Kontaktzeit reichen offensichtlich nicht aus, um das Gas wiederum völlig zu lösen. Im Übrigen steht das System insgesamt unter Vakuum, so dass der in R 1 gegebene O2-Wert ohnehin nicht wieder erreicht werden kann. Gasblasen und Flüssigkeit trennen sich im unteren Reservoir R 2; die Ablaufleitung muss auch bei diesem Verfahren getaucht betrieben werden.
Der Erfinder sollte zweckmäßigerweise nach Durchlaufen einer solchen Assoziationskette (Einspritzkondensator, Automatische Kolonnensumpf-Entwässerung, Vakuumfiltration, Vakuumdestillation, Vakuumentgasung) noch einmal selbstkritisch das Niveau seiner neuen Lösungen unter denkmethodischen Gesichtspunkten zusammenfassend bewerten. Dazu gehört zunächst, alle bekannten und alle neu gefundenen Anwendungsfälle so zu ordnen, dass die z.T. unterschwellig abgelaufenen Assoziationen im Nachhinein erklärt werden können. Das ist zweckmäßig, weil der erfahrene Erfinder mit einem bestimmten experimentellen und theoretischen Grundwissen arbeitet, dessen Vorhandensein und dessen Wirken er sich beim Nachdenken normalerweise nicht ständig vor Augen hält, sondern das anscheinend unmittelbar in den Denkprozess einfließt. Somit ist das Zusammenstellen des vorhandenen Assoziationsmaterials und das Verdeutlichen der Beziehungen zwischen vorhandenem Assoziationsmaterial und alten wie neuen Anwendungsfällen für methodisch Interessierte unbedingt zu empfehlen (Assoziationskette). Dazu gehört auch, dass die Recherchetätigkeit bzw. Literaturarbeit niemals als abgeschlossen betrachtet werden sollte und äußerst kritisch (vor allem selbstkritisch) zu bewerten ist.
So gab bereits Raschig (1915), wie uns erst nach Erteilung unseres Schutzrechtes bewusst wurde, eine Anordnung zur Vakuumdestillation mit frei auslaufendem Destillat an (sinngemäß entspricht dies der Arbeitsweise bei der Vakuumkolonnensumpfentwässerung):
"Bei dieser Anordnung ist an den Kühler ein Abfallrohr angeschlossen, welches so lang sein muß, wie es die Dichte des Destillates zur Überwindung des Atmosphärendruckes erfordert. Es werden Abfallrohre bis zu 10 m Länge und darüber benötigt" (Ullmann 1931).
Auch zeigte sich beim ergänzenden Literaturstudium im Falle vorliegender Ideenkette, dass neben dem für jedermann vorhandenen Assoziationsmaterial (Torricelli-Barometer, Jenaer Analysentrichter für schnelle Filtration, Kaffeefiltereinsatz, Labornutsche gemäß der im Text beschriebenen Anordnung) in der älteren Literatur (Szigeti 1915) auch ein Hebertyp beschrieben ist, der durch Angießen mit Flüssigkeit in Betrieb gesetzt wird und der demgemäß besonderen assoziativen Wert (Querverbindung: "y-Passstück") gehabt hätte, falls diese einfache Apparatur uns bereits vor Beginn der geschilderten Arbeiten geläufig gewesen wäre. Dieser Hergang mag nicht gerade schmeichelhaft sein. Ich habe die wirkliche Abfolge der Arbeitsschritte jedoch ungeschminkt dargestellt, weil sich analoge Schnitzer täglich - und dies an wahrlich wichtigeren Objekten - immer und immer wiederholen. In diesem Sinne dürfte das erläuterte (bewusst einfach gewählte) Beispiel branchenübergreifend seinen didaktischen Wert haben.